"Ton ab… und bitte!"

"Titanic" auf dem Zürichsee und wie ein Koffer voller Geld eine Stadt in Atem hält: Mit "Big Deal" meldet sich das tpc zurück im Fernsehfilmgeschäft.

Gut vertäut liegt die "Grazia Patrizia" im schmucken Hafen des Hotels Alexander in Thalwil. Weder die Wellen der vorbeifahrenden Kursschiffe noch die zwanzig Personen des Filmteams können der 15-Meter-Jacht aus dem Nachlass von Karl Schweri etwas anhaben. Scheinbar geduldig lässt sie sich ausleuchten und mit Filmequipment beladen. Die Produktionsfirma C-Films dreht im Auftrag von SF DRS und in Zusammenarbeit mit dem tpc "Big Deal", eine Action-Komödie.

Es ist früher Nachmittag. Die Sonne brennt heiss auf den Vorplatz, auf dem die Schauspieler auf das Kommando von Regisseur Markus Fischer warten. Set-Aufnahmeleiter Mirko Vogelsang informiert sich via Funkgerät über den Stand der Vorbereitungen der technischen Apparaturen. Hauptdarsteller Mathias Gnädinger nestelt an seiner Edelweiss-Krawatte, zieht an den schwarzen Hosen und streicht mit einer Hand über das dunkelblau karierte Sakko. Die Visagistinnen tupfen Schweissperlen weg und nehmen letzte Retouchen vor. Die Kamera ist bereit, die Scheinwerfer in Position gebracht und der Ton läuft. Regisseur Markus Fischer gibt das Zeichen "Ton ab… und bitte!"

Mathias Gnädinger telefoniert an der Mole mit einem vermeintlichen Komplizen und gestikuliert wild umher: "Wo ist der Messingkoffer?" Derweil im Hintergrund zwei dubiose Gestalten in Begleitung zweier Bodyguards die Jacht besteigen. "Merci", ruft Markus Fischer. Szene 46 ist beim ersten Take im Kasten. Die Kamera wird umpositioniert, das Objektiv gewechselt. Die Schauspieler ziehen das kühlere Innere des nahen Restaurants vor, um auf ihren nächsten Einsatz zu warten. Drehpause für die Akteure, Hochbetrieb für die sechs Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des tpc und der übrigen Filmcrew. Jede Szene wird akribisch genau vorbereitet. Wenige Meter entfernt sitzt ein älterer Herr auf der Mauer des Steges, zündet sich genüsslich eine Zigarre an und betrachtet das Treiben an der Mole mit einem interessierten Gesichtsausdruck. Der ältere Herr heisst Peter Bosshard und ist Bootsführer der "Grazia Patrizia", deren eigentlicher Name "Scheherazade" ist. Es sei nicht das erste Mal, dass "sein" Schiff eine Rolle in einem Film spiele, sagt Bosshard mit stolzem Unterton in der Stimme. Vier Drehtage steht die Jacht im Zentrum des Filmgeschehens. Die gesamten Dreharbeiten für den rund neunzigminütigen Fernsehfilm von SF DRS dauern insgesamt dreissig Tage. Die Action-Komödie wird voraussichtlich im nächsten Frühling als Beitrag der Reihe "ch:film" auf SF2 gezeigt.

"Big Deal" erzählt die Geschichte eines VIP-Chauffeurs, der auf dem Rücksitz seiner Limousine auf einen vergessenen Koffer stösst. Befinden sich dort drin die Beweise, um Walti Oberholzer, Inhaber eines Gartenbauimperiums, und Regierungsratskandidat Andreas Fröhlich der Korruption und Geldwäscherei zu überführen? Und was hat der Koffer mit dem rätselhaften Tod eines Zürcher Privatbankiers zu tun?

Die Besetzung der von Patrick Frey und Markus Fischer geschriebenen Komödie liest sich wie ein Who is Who der Schweizer Schauspielszene: Walter Andreas Müller mimt den Regierungsratskandidaten Andreas Fröhlich, Mathias Gnädinger verkörpert den gewichtigen Gartenbaulöwen Walti Oberholzer, Martin Schenkel verstrickt sich als ahnungsloser VIP-Chauffeur Robi Weber in eine schier ausweglose Geschichte, und Patrick Frey verfolgt als nimmermüder Bezirksanwalt Zingg eine heisse Spur. In weiteren Rollen sind Dodo Hug und Newcomerin Mona Fueter zu sehen.

Neben den zwanzig Schauspielern und rund 180 Statisten sind 25 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fernab der Kameralinse im Hintergrund tätig - darunter sechs Personen des tpc, die für Kamera, Ton und Beleuchtung zuständig sind. Johannes Wulf sorgt als Tonmeister im wahrsten Sinne des Wortes für den guten Ton beim Dreh. Der Mitarbeiter der ENG-Equipe erstellt während der Aufnahmen einen Tonrapport, um die Synchronisation während der Nachbearbeitung zu erleichtern, und entscheidet bei ungenügender Tonqualität über eine allfällige Wiederholung der gedrehten Szene. "Da aller Voraussicht nach die Personen nicht nachsynchronisiert werden, kommt der Tonqualität eine grosse Bedeutung zu", sagt der tpc-Mitarbeiter. Der Ton wird mit einem digitalen Aufzeichnungsgerät unabhängig vom Bild aufgenommen - ganz im Gegensatz zu normalen Produktionen, wo Ton und Bild gemeinsam auf denselben Datenträger kopiert werden. "Ich muss innerhalb kürzester Zeit entscheiden, ob die Aufnahme gut genug war", so Wulf, der sein Handwerk unter anderem bei den Dreharbeiten zu "Der schwarze Tanner" erlernte. Das sei nun aber schon eine geraume Zeit her, lacht der "Tönler". "In dieser Zeit hat sich unglaublich viel verändert. Funkmikrofone sind aus dem Equipment nicht mehr wegzudenken, und die Set-Mitarbeiter kommunizieren via Funkgeräte miteinander."

Lange her ist auch die letzte Spielfilmproduktion des tpc, damals noch unter dem Namen SF DRS. Vor acht Jahren beschlossen zwei "Tatort"-Folgen vorläufig das letzte Kapitel der Ära Fernsehfilmproduktion. Vor zehn Jahren wurde "Das vergessene Tal" als einer der letzten grossen Fernsehfilme produziert. Kameramann war damals Peter Wullschleger, heute Leiter ENG. Nun steht Reinhard Schatzmann beim ersten Fernsehfilm mit tpc-Beteiligung hinter der Kamera. Zusammen mit Beleuchter Andreas Hagen hat er an acht Fernsehfilmproduktionen mitgewirkt. Die gemeinsame Arbeit an "Big Deal" ist nun trotz des grossen Erfahrungsschatzes gewissermassen ein Neuanfang. Eine "Bewährungsprobe für das tpc", wie Andreas Hagen treffend meint. Von den Mitarbeitern auf dem Set ist deshalb ein grosses Mass an Flexibilität gefragt. Nachtdrehs und kurzfristige wetterbedingte Änderungen des Drehplans sind praktisch an der Tagesordnung. "Spielfilmproduktionen haben einen ganz speziellen Rhythmus", stellt Reinhard Schatzmann fest. Auf kurze Drehsequenzen folgen längere Umbaupausen, in denen Licht und Kamera neu positioniert werden.

Peter Wullschleger, Leiter ENG, sieht in der Produktion von Fernsehfilmen ein grosses Potenzial: "Wir hoffen, dass 'Big Deal' ein guter Anfang wird und wir vermehrt wieder mit Peter-Christian Fueter von C-Film und diversen anderen Schweizer Produzenten auf diesem Sektor zusammenarbeiten können." Wullschleger streicht die Pluspunkte des tpc hervor: "Wir sind ein Garant für hohe Qualität und haben den Vorteil, dass wir ein umfassendes Produkte- und Leistungspaket anbieten können." Denn das Knowhow des tpc umfasst auch die Sparten Postproduction, Bau und Requisiten.

Tosho Yakkatokuo, Produktionsleiter bei "Big Deal", schätzt am tpc den unkomplizierten Einkauf von Infrastruktur und Mitarbeitern: "Das tpc bietet eine logistische Ideallösung. Für uns ist es einfacher, wenn wir Mitarbeiter und Material in einem Gesamtpaket erwerben können." Der Produktionsleiter zeigt sich denn auch zufrieden mit der bisher erbrachten Leistung: "Wenn ich die Arbeit so mitverfolge, habe ich ein gutes Gefühl. Die Crew ist engagiert und motiviert, ein gutes Produkt herzustellen."

Am 19. Juli fiel die erste Klappe. Für Tosho Yakkatokuo begannen die eigentlichen Vorarbeiten für das Projekt im April dieses Jahres. Der Drehplan musste im Rahmen der Budgetmöglichkeiten errechnet und Personal engagiert werden. Mit dem Engagement der tpc-Crew wurde die Zusammenstellung einer professionellen Equipe wesentlich vereinfacht. Zur gleichen Zeit überarbeitete Kameramann Reinhard Schatzmann zusammen mit Regisseur und Co-Autor Markus Fischer das Drehbuch. In einem Dutzend Arbeitstagen wurde das Skript Szene für Szene seziert und mit Vermerken zu den während des Drehs benötigten Einstellungen ergänzt. Einhergehend mit der Vorproduktion rekognoszierten Kameramann und Beleuchter die Schauplätze des Films. Die beiden erfahrenen Mitarbeiter sind zusammen mit den übrigen am Projekt beteiligten Personen vom tpc ein eingespieltes Team, das so schnell nichts aus der Ruhe bringen kann.

Kurz nach zwanzig Uhr kommt an diesem Tag aber doch noch Hektik auf. Die Sonne wird in wenigen Minuten untergehen und eine letzte Einstellung steht noch auf dem Drehplan. Wenig später hat die Kamera von Reinhard Schatzmann auch diese Szene eingefangen. Für die rund drei Minuten Film, die an diesem Tag abgedreht wurden, hat er etwas mehr als 30 Minuten Rohmaterial auf die Digital-Betacam-Kassette aufgenommen.

Zwei ältere Damen, die das Geschehen während längerer Zeit von der Restaurantterrasse aus beobachtet haben, tuscheln im Vorbeigehen einander zu: "Schau mal, dieser Aufwand. Fast wie bei Titanic". Als ob er dies gehört hätte, breitet ein als Bodyguard gekleideter Schauspieler auf dem Deck des Schiffes seine Arme aus und blinzelt in die Abendsonne. Derweil sich Bootsführer Peter Bosshard genüsslich eine Zigarre anzündet. Sie hat auch heute als Statistin ganze Arbeit geleistet: sein ganzer Stolz, die von der Film-Crew zu "Grazia Patrizia" umgetaufte Jacht, die eigentlich "Scheherazade" heisst - wohl das einzige Schiff weit und breit mit einem Künstlernamen.

Text: Peter Küchler
Foto: Tina Steinauer