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Spieglein, Spieglein ... |
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Jungs träumen davon, Lokführer zu werden - Mädchen, sich als Prinzessin das Haupt krönen zu lassen. 16 junge Frauen wollen sich in diesem Jahr den Traum erfüllen, als offiziell schönste Schweizerin das Land zu repräsentieren. Aber nur ein Traum wird wahr. Die Co-Produktion der drei Stationen SF DRS, TSI und TSR zieht jedes Jahr das Interesse von über einer Million Fernsehzuschauern auf sich. In diesem Jahr waren die Studios des tpc zum zweiten Mal nach 1998 Austragungsort der prestigeträchtigen Wahl. Studio 1. Nun gilt's ernst. Noch knapp dreissig Stunden bis zum grossen Auftritt. 400 Scheinwerfer lassen die Temperaturen im Dschungeldekor auf authentische Werte ansteigen und zeigen die Kandidatinnen im besten Licht. Sieben Kameras verfolgen jeden Miss- Tritt. Ein Kamerakran sorgt für die "fliegendem" Bilder. Des Weiteren sind eine Steady Cam und ein Hothead (via Datenkabel und Joystick kann eine über dem Publikum installierte Kamera 270 Grad bewegt werden) im Einsatz. Der letzte Durchlauf vor der abendlichen Hauptprobe verläuft planmässig. Das Dekor verwandelt sich im Nu in eine paradiesische Strandlandschaft und wenig später in einen geheimnisvollen Ballsaal mit glänzenden Kronleuchtern und dunklen Eckgewölben. Einen Tag Vorbereitung und vier Tage für den Aufbau benötigten Bühnentechniker Patrick Oall'Oglio und sein Team, bis das Studio 1 nicht mehr wieder zu erkennen war. Die Bühnenbilder und Prospekte (Hintergründe) wurden in rund zweiwöchiger Arbeit neu hergestellt. Bühnenbildner Peter Rothe fertigte ein Bild, das anschliessend mittels Raster auf die endgültigen Masse vergrössert wurde. Die bis zu sechs Meter grossen und rund 200 Kilogramm schweren Strandfelsen entstanden in der Malerwerkstatt eigens für diesen Anlass. "Sie werden archiviert und weitervermietet", verrät Profi Patrick Oall'Oglio. Die Sängerin Nubya schaut für einen kurzen Kameracheck vorbei. Star Anastacia hingegen reist erst am nächsten Tag an. Dafür springt eine Mitarbeiterin der Miss-Schweiz-Organisation ein und verblüfft mit ihrem Entertainment-Talent. Nach dem Durchlauf nimmt Regisseur Max Sieber die Kameraleute beiseite und bespricht mit ihnen das weitere Vorgehen sowie die letzten Einstellungen des Nubya-Acts: "Vier: Querfahrt. Fünf: Totale. Zwei: nah." In der linken Hand hält er das Regiebuch, mit seiner Rechten zeichnet er virtuos Kameraeinstellungen nach. Wie ein Dirigent vor seinem Orchester. Karajan und die Kameraleute. Max Sieber betreut den Anlass in einer Dreifachfunktion: als Produzent, Redaktor und Regisseur. Überlastet fühlt er sich angesichts der verschiedenen Aufgaben aber nicht: "Man stellt solche Produktionen nicht alleine auf die Beine. Ich habe einen gut funktionierenden Stab um mich." Woher die Ideen für das Sendekonzept und die Bühnenbilder kommen, kann Max Sieber nicht sagen: "Das ist immer anders. Man sieht vielleicht mal etwas und behält diese Idee im Hinterkopf." Allerdings ergänzt er: "Ich bin der Meinung, dass das Fernsehen erfunden ist. Ganz grundlegend neue Sachen gibt's nicht. Es gibt aber neue Kombinationen. Diese gilt es zu finden. Und vor allem: Trends nicht zu verschlafen." Wieso gerade Südseestimmung in dieser kalten Jahreszeit? "Meine Grundidee bestand darin, dem Ganzen einen abenteuerlichen Aspekt zu verleihen. Etwas mit Dschungel und Tieren. Dann habe ich die Idee mit meinen Mitarbeitern besprochen, den Choreografen Ken Warwick und Nadine Imboden sowie mit Bühnenbildner Peter Rothe." Ken Warwick ist bei SF DRS kein Unbekannter. Der Engländer, der seine Karriere als Tänzer und späterer Choreograf in der BBC-Fernsehserie "Young Generation" begann, leitete Tanzdarbietungen beim "Grand Prix der Volksmusik" und auch beim "Supertreffer". Auch die über eine Million Zuschauer vor den TV-Geräten können den Abteilungsleiter der Sparte Unterhaltung, Max Sieber, nicht aus dem Konzept bringen. "Bis die Ideen konkrete Formen annehmen, ist eine gewisse Spannung da, Nervosität möchte ich das nicht nennen. Aber das ist Wochen vor der Sendung." Max Sieber ist einer, der das Fernsehen lebt: "Fernsehen ist als Medium enorm wichtig - und finde ich etwas vom Spannendsten überhaupt. Ich hatte das Glück, in einem Moment mit dem Fernsehmachen zu beginnen, als das noch ein Basteibetrieb war. Das war 1965 noch im Studio Bellerive. Der anfängliche Bastelbetrieb wuchs immer professioneller bis zum heutigen Niveau." "Von der technischen Infrastruktur her ist die Miss-Wahl vergleichbar mit Benissimo", sagt der Technische Leiter Rene Salvini. "Zusätzlicher Aufwand entsteht rund um die Produktion. Zum Beispiel bringt jede Kandidatin zwei eigene Stylistinnen mit." Die Montagehalle wurde deswegen kurzzeitig in einen Umkleideraum mit kleinen Garderoben umgestaltet, Ebenso wird das Studio 2 während der Zeit der Miss-Wahl umgenutzt. Dort, wo normalerweise die Kulissenarena des "Sportpanorama" steht, ist für den TSR ein Extrastudio für Vorinterviews und den Live-Kommentar eingerichtet worden. Für die Jury wurde ein Computernetzwerk mit eigens entwickelter Software installiert. Neben den acht Jurymitgliedern im Studio wird eine zusätzliche Stimme von den Zuschauern zu Hause abgegeben. In einem Studio-Nebenraum steht deshalb eine Datenzentrale, in welcher die Stimmen der Zuschauer mit jenen der Jury addiert und anschliessend ausgewertet werden. Den Aufbau und die Betreuung während der Proben und der Sendung übernehmen zwei Personen der IT. "Das Projekt findet für uns einmal alle drei Jahre statt. Daher ist die Sendung etwas Besonderes für mein Produktionsteam und mich", sagt Rene Salvini. Allgemein ist es so, dass ein Projekt eine gewisse Zeit für die Startphase in Anspruch nimmt. Bei einer Struktursendung spielen sich die Arbeitsabläufe mit jedem Mal besser ein, dies erleichtert die Arbeit des Projektleiters. Bei der Miss-Schweiz-Wahl fällt diese Entwicklung weg. Man fängt immer bei null an: Neue Dekoration, neue Technik, neues Licht. Wie ist der Ton, wo stehen die Kameras? Die Vorbereitungsarbeiten laufen seit Sommer. nun bringt die Live-Sendung die Früchte der Arbeit. "In den Proben und während der Vorproduktionen hat alles sehr gut funktioniert. Mit diesen Erfahrungen sehe ich der Sendung mit positiven Gefühlen entgegen", sagt der Technische Leiter, der auch "Megaherz", "Hit auf Hit", "Benissimo", "Eiger, Mönch & Kunz" sowie Eventveranstaltungen wie die Millionen-Gala und den Grand Prix der Volksmusik betreut. "Zu dieser Sendung habe ich eine spezielle Beziehung", gesteht auch Marianne Schmid, die zusammen mit Robert Rutz als Aufnahmeleiterin die Sendung betreut. "Ich war mit dem Team auf den Malediven, als die Vorproduktionen gedreht wurden. Durch diese Erfahrung habe ich mehr Informationen und Vorwissen als sonst bei einer Sendung, die ich bisher gemacht habe." Während Robert Rutz die Aufnahmearbeiten auf dem Set koordiniert, reicht das Arbeitsfeld von Marianne Schmid "bis an den Studiorand". Sie koordiniert die Aufgaben im Backstagebereich. "Jede Berufsgruppe weiss, was sie zu tun hat, und hat ihre eigene Ansprechperson. So ist gewährleistet, dass alles funktioniert." Dennoch Lampenfieber? "Nein, noch nicht. Aber kurz vor der Sendung überlegt man sich schon, ob alles klappen wird." Der Requisiteur Hans Gassmann, der während der Live-Sendung sämtliche Requisiten betreut und unter anderem dafür sorgt, dass das Studio vorgängig mit ausreichender Bestuhlung ausgestattet ist, gehörte ebenfalls zum rund 20-köpfigen Team, das im August für eine Woche auf die Malediven reiste, um diverse Vorproduktionen wie Kandidatinnenporträts und einen Filmbeitrag mit Erich Vock als Robinson zu drehen. "Ich hatte mehr Gepäck als andere", schmunzelt Gassmann. Denn sein zusätzliches Reisegepäck wog 1200 Kilogramm - alles Requisiten. "Wir mussten die meisten Gegenstände mitnehmen; sie vor Ort aufzutreiben, wäre zu schwierig oder gar unmöglich gewesen." Wie viele Flughafenbeamte haben sich wohl an den Plastikkrabben und der Haifischflosse erschreckt? 19.30 Uhr: Das Publikum strömt ins Studio 1 zu der Hauptprobe. Rund 500 Personen sind an diesem Abend dabei, "wenn es halb ernst" gilt. "Alles läuft so wie an der Live-Sendung", verspricht Moderator Beni Thurnheer. Ausgenommen, dass Anastacia am nächsten Abend live anwesend sein wird, Nubya nicht von einer Frau aus dem Publikum gespielt wird und die Miss wohl eine andere sein wird. Denn als Moderatorin Edith Hunkeler das Couvert öffnet und den Namen bekannt gibt, ist unter dem Publikum eine kurze Verunsicherung auszumachen. "Miss Schweiz 2001 ist ... Karina Berger!" Die Organisatorin des Wettbewerbes lässt sich nach 1988 zum zweiten Mal Schärpe umhängen und das Krönchen aufs Haupt setzen. Die Verunsicherung in den Gesichtern der Zuschauer wandelt sich in ein herzhaftes Schmunzeln. "Aus Aberglauben wollen wir heute keine Kandidatin krönen", erklärt Beni Thurnheer. Es ist kurz vor 22 Uhr. Der Abspann läuft. Alles glatt gelaufen. Das Publikum applaudiert. Beni Thurnheer und Edith Hunkeler geben sich Shakehands: "Das nächste Mal gilt's ernst." Aufnahmeleiter Robert Rutz ist mit der Hauptprobe zufrieden. "Sie ist fast zu gut verlaufen", meint er mit einem verschmitzten Lächeln. Requisiteur Hans Gassmann nimmt die Schärpe und die Krone in seine Obhut und zieht sich in den dunklen Backstagebereich zurück. In 24 Stunden wird die Schweiz wissen, wer die Insignien trägt, sich das Krönchen aufs Haupt setzen darf und seinen Traum verwirklicht. Inzwischen ist die schönste Schweizerin erkoren: Im Blitzgewitter der Fotografen lächelte die 20-jährige Aargauerin Jennifer Ann Gerber und konnte ihr Glück kaum fassen. | |||||||||||||