"Wir stecken den Kopf nicht in den Sand"

Einbussen im heimischen Fernsehmarkt halten das tpc nicht davon ab, den Schritt nach Deutschland zu wagen. Im Gegenteil: Geschäftsleiter Roger Sidler sieht ihn als einmalige Chance.

Ist das tpc nach dem Aus von RTL/ProSieben Schweiz und TV3 gescheitert?
Roger Sidler: Auf gar keinen Fall. Klar, das Umfeld im heimischen TV-Markt hat sich verschlechtert. Unsere Verselbständigung aber hat viel gebracht. Letztes Jahr realisierten wir mehr als 30 Prozent des Umsatzes ausserhalb von SF DRS. Auf TV3 sind etwa 6 Prozent entfallen. Wir machen weiter, nun eben auf anderen Wegen: Wir konzentrieren uns auf den TV-Markt Deutschland und den AVE-(Audio-Video-Event-)Markt Schweiz.

Und wenn der verlorene Umsatz nicht aufgefangen werden kann?
Wir haben einerseits eine Überkapazität von etwa zwölf Leuten, andererseits eine mangelnde Auslastung in den Studios. Wenn wir keine Kompensationsaufträge einholen können, werden wir nochmals über Personelles sprechen müssen. Ich habe immer gesagt, solange es irgendwie geht, entlasse ich niemanden. Ausschliessen kann ich jedoch nichts.

Werden Sie allenfalls Studios schliessen?
Die SF DRS-Sparübungen werden sich ab 2003 auch auf uns auswirken. In welchem Ausmass, das wissen wir noch nicht genau. Fest steht: Wir werden auch bei SF DRS um jeden Auftrag kämpfen. Zudem sind wir laufend daran, uns zu verbessern. Das neue Kundenbetreuungskonzept hat da viel gebracht. Für 2002 machen wir ein monatliches Umsatzcontrolling. Mitte Jahr werden wir mehr wissen. Eventuell werden wir aber die Studiokapazität reduzieren müssen.

Nun expandiert das tpc ja nach Deutschland.
TV ist ein Beziehungsgeschäft. Man kennt sich. Deutsche Berater sind zwingend, um deutsche Aufträge gewinnen zu können. Wir brauchen eine deutsche Adresse, deutsches Personal. Mit dem Schweizer Lohnniveau können wir da nicht mithalten. Die mobilen Velorennen allerdings werden weiterhin von der Schweiz aus mit Schweizer Personal produziert, weil sie ganz spezifisches Know-how erfordern.

Weshalb ein Partner? Weshalb Salzbrenner Stagetec?
Wir haben verschiedenste Lösungen geprüft. Der Weg mit Salzbrenner hat sich per Zufall aufgetan. Die Firma ist im internationalen Markt - von Europa bis Hollywood - etabliert, bietet Ton-, Beschallungs-, Produktionspulte an. Wir waren einer der ersten Kunden, der seine Reportagewagen mit ihrer wegweisenden Technologie ausgerüstet hat. Wir haben sie als seriöse Firma kennen gelernt. Dann übernahm Salzbrenner Personal und Produktionsmittel einer in Konkurs gegangenen TV-Produktionsfirma und suchte einen Partner aus diesem Business. Unsere Interessen sind dieselben: hohe Qualität, langfristiges Engagement, Sicherung von Arbeitsplätzen. So haben wir uns entschlossen, in Deutschland gemeinsam als tpc international aufzutreten.

Wie beteiligen Sie sich an tpc international?
tpc international soll zur Hälfte uns, zur Hälfte Salzbrenner gehören. Die Geschäftsleitung liegt bei uns. Mit dem abgeschlossenen Kooperationsvertrag können wir auch ohne das definitive Okay des tpc-Verwaltungsrates und der SRG sofort starten. Das müssen wir, denn die Mittel sind da, das Personal auch.

Sind denn schon Aufträge in Sicht?
Personal und Cars werden bereits von der Mutterfirma Salzbrenner eingesetzt. Nachdem wir Medien und Kunden informiert haben, sind erste Anfragen von ZDF und Privaten gekommen. Nun arbeiten wir fieberhaft daran, das Erscheinungsbild anzupassen. Wir wollen von Beginn an als tpc international im Markt auftreten. Deshalb die Eile.

Woher nehmen Sie das Geld für die Beteiligung?
Wir werden auf dem Kapitalmarkt entsprechende Mittel aufnehmen. Zudem verhandeln wir mit der SRG betreffend einer Bürgschaft oder einer anderen Finanzierungsform.

Aber die SRG muss doch sparen.
Die SRG selbst hat sich eine kommerzielle tpc-Tochter gewünscht. Nun zeigt sich, dass der Schweizer TV-Markt nicht bringt, was erhofft. Jetzt öffnet sich in Deutschland eine neue Tür. Wenn diese einmalige Gelegenheit nicht genützt wird, dann hat man Angst vor dem eigenen Mut. Natürlich gibt's hier einen gewissen Widerspruch zu den Sparbemühungen der SRG, doch diese Dinge muss man getrennt sehen. Es gilt, die Chance jetzt zu nutzen.

Was ist weiter geplant, um dem tpc zu Wachstum zu verhelfen?
Über tpc international beabsichtigen wir auch den österreichischen Markt und allenfalls weitere Nachbarländer zu bearbeiten. Diese Vision ist noch da. Ihr liegt dieselbe Idee zugrunde wie bei den mobilen Produktionen: Wir werden uns dieses Jahr wiederum stark um die deutschen Rennen bemühen. Wenn wir das zweite Jahr auf sicher haben, sind unsere Chancen auch in Zukunft intakt. Danach wird der Moment kommen, in dem wir einen Schritt weitergehen. Im Auge haben wir die grossen Radrennen in Italien, Frankreich, Spanien.

Sie haben neu auch einen Produzenten engagiert.
Ja, weil wir uns unbedingt auch inhaltlich weiterentwickeln wollen. Gerade im AVE-Bereich und bei den privaten TV-Sendern ist es von Vorteil, wenn man inhaltliche Vorschläge präsentieren kann. Verkaufen wir diese, resultiert daraus der Rest. Ein aktuelles Beispiel dafür ist die FIFA, die uns mit der World Players Gala 2001 beauftragte.

Ihre Vision war einst ein "Medienzentrum Deutschschweiz".
Zugegeben, um das Deutsch-schweizer Medienzentrum ist es still geworden. Räumlich hat sich trotzdem einiges in diese Richtung entwickelt. Ich freue mich jedes Mal, wenn ich unsere Nachbarn sehe: das TV.Com-Center, Sat.1 Schweiz, Ringier. Obwohl die Ernüchterung in der Schweizer TV-Landschaft kam: Ganz aufgegeben habe ich die Idee noch nicht.

Stichwort: Investitionen. Wie geht's da weiter?
Wir müssen technologisch konkurrenzfähig bleiben. Das BENO war für die Postproduktion unbedingt notwendig. Dasselbe werden wir jetzt bei den Studios machen. Unter dem Stichwort "Studiovision" sind wir daran, unsere Regien zu sanieren. Es ist sehr wichtig für uns, hier auf dem neusten Stand zu sein.

Interview: Brigitte Maurer
Foto: Anita Affentranger