Investitonen, die sich lohnen

Wer heutzutage im TV- und Videobusiness mitmischt. kommt nicht umhin, sein Personal permanent aus- und weiterzubilden. Das tpc investiert dieses Jahr viel in seine Kameraleute.

Im Pool von Ueli Knecht, tpc-Leiter Kamera Studio, sind jene Kameramännerund -frauen erfasst, die in Studios und auf den Reportagewagen zum Einsatz kommen. Ein ausgeklügeltes Übersichtssystem zeigt der Dispo, wer in welcher Sendung wie einsetzbar ist. Bei jedem Namen steht jeweils der Vermerk «Anfänger oder hat Sendung noch nie gemacht», «Mittelfeld» oder«Routiniert». Auf den ersten Blick fällt dabei Folgendes auf: Es mangelt weder an Topleuten noch an solchen, die am Anfang ihrer Karriere stehen. Doch das Mittelfeld scheint bedrohlich geschrumpft.
Weshalb? Seit einigen Jahren fand im Pool ein Generationenwechsel statt. Mehrere Equipen-Chefs wurden pensioniert und Kameraleute verliessen den Pool. Es galt, neue, motivierte Mitarbeitende nachzuziehen. Doch aus Spargründen wurde - noch zu Zeiten, als das tpc zu SF DRS gehörte und PZ hiess - der zweijährige Kamera-Stage auf ein Jahr gekürzt. «Zwölf Monate sind schlicht zu kurz, um Anfänger ernsthaft in all die Sendungen einzuarbeiten». erklärt Ueli Knecht. Damit nicht genug: Produktionen wie ganz früher «Karussell». später «TAF» oder «Mittags-Magazin» eigneten sich bis anhin bestens, um Neulinge einzusetzen und gleichzeitig auszubilden. Weil stets kostengünstiger gearbeitet werden muss, fallen heute Proben vielfach weg und Neueinsteiger können nicht mehr «on the job» ausgebildet werden. Ueli Knecht: «Heute wird vorausgesetzt, dass man praktisch von Beginn an alles können muss. Doch es ist enorm wichtig, angehende Kameraleute eins zu eins auf ihren Job vorzubereiten.»
Die Verantwortlichen mussten sich also etwas einfallen lassen. Vor etwas mehr als einem Jahr kam Ueli Knecht und dem verantwortlichen Ausbildner der Kameraleute. Willy Tügel, die Idee, verschiedene Sendungen nachzustellen. Ein Bildungsprojekt in dieser Grösse konnte aber nur in Zusammenarbeit mit SF DRS realisiert werden. SF DAS willigte ein, weil es damit parallel auch seine Leute schulen kann. So entwickelte Ueli Knecht gemeinsam mit Hansueli Alder, Leiter Regiepool bei SF DRS, ein Konzept.
Bereits letztes Jahr wurden zehn «Clubs» als Ausbildungs-Sendungen hergestellt. Heuer sind dreissig Produktionen wie «Mittags-Magazin)), «Mittags-Talk», «Arena)), «Megaherv), «Club» und «Quer» geplant. Nebst dem Bild, das normalerweise gesendet wird, werden in der Regie zusätzlich auch alle Kameras, der Ton sowie die Gespräche zwischen Regie und Script aufgezeichnet. So kann das Resultat später von den Ausbildungsverantwortlichen auch mit Blick auf das Ganze, das Teamwork untereinander - zum Beispiel: Was macht welche Kamera? - analysiert werden.
Leute in Realsituationen testen zu können, ist auch für SF DRS ein Muss. Die fingierten Sendungen geben Nachwuchs-Moderatorinnen die Gelegenheit, Erfahrung zu sammeln. Aber auch Moderatoren, die das Sendegefäss wechseln wollen, oder solche, die für Sondersendungen vorgesehen sind, finden hier ein ideales Übungsfeld. Gleichzeitig kann die Regie Leute einarbeiten oder auf neue Sendeformate vorbereiten. Hansueli Alder: «Früher sind sie einfach mitgelaufen. Die Gefahr, bei ersten Einsätzen abzustürzen, war grösser.»
t pc und SF DRS teilen sich die für 2002 anfallenden Kosten von zirka einer Viertelmillion Franken. Dabei stellt das tpc Studios, Infrastruktur und Equipen. SF DRS ist für Regie, Redaktion, Moderation und Gäste zuständig, und es organisiert die Fachleute für die Analyse. Von der Ausbildung «on the job» profitieren aber nicht nur tpc und SF DRS: In einer Ausbildungs-Arena beispielsweise erhalten auch Interessensvertreter oder Jungpolitikerinnen die Chance, ihre Kommunikation live zu trainieren.
Die Bildungspolitik des tpc beinhaltet noch viel mehr Komponenten als die vorgängig beschriebenen. Auf die Kameraleute umgemünzt, heisst das: Zusätzlich werden technische und gestalterische Workshops durchgeführt, Führungsseminareangeboten, wird kundenorientiertes Arbeiten vermittelt, die Kommunikationgeschult, Kurse in Stressbewältigung oder Computerbedienung offeriert etc.
Ein Beispiel: Neulich konnte Peter Merz mit einem speziellen Workshop eine fast zweijährige Weiterbildung abschliessen. Der Kameramann und Equipenchef(EC) besuchte zusammen mit drei Kollegen im März einen Kurs zur Lichtgestaltung. Die vier ECs bereiteten sich tageweise darauf vor: So machten sie sich erst mit dem Studioplan betreffend Dekorstand vertraut, studierten das Drehbuch, die Gänge der Schauspielerinnen usw., um schliesslich den passenden Lichtplan zu erstellen.
Im Studio 1, im leicht reduzierten Dekor von «Hotel B.», wurden dann vier Szenen mit unterschiedlichen Stimmungen gedreht: Morgen, Mittag, Abend/Barlicht und Nacht/Horror. Mit von der Partie waren auch drei Akteurinnen und zwei Regisseure. Jedem EC stand ein Tag zur Verfügung. um eine Szene zu drehen. Aufgezeichnet wurde fortlaufend, das Ergebnis jeweils gleich sofort und von allen Beteiligten beurteilt. Sechs bis sieben Durchgänge waren durchschnittlich notwendig, bis sich alle zufrieden zeigten. Ausprobiert werden konnten dabei auch Dinge wie: Welche Wirkung hat welches Licht? Oder wie leuchtet man eine 16O-Grad-Kamerafahrt ein, so dass die Person jederzeit optimal im Bild erscheint? Peter Merz: «Dieser Kurs hat uns allen enorm viel gebracht. Durch die Praxisnähe ist auch die Selbstsicherheit gestiegen.»
Nicht nur das Studio-Kamerapersonal erfährt eine permanente Weiterbildung. Auch im ENG-Bereich ist das tpc stets darauf bedacht, die Leute zu schulen. Kürzlich wurden vier Kameraleute mit der Gyrocam. einer Helikopterkamera mit Joystick. vertraut gemacht. Diese Art von Kamera setzt das t pc bei Rad- und Skirennen wie dem Lauberhorn etc. ein.
Peter Wullschleger, tpc-Leiter ENG, sorgt dafür, dass der Nachwuchs individuell betreut wird. So existiert im Bereich ENG ein spezielles Coaching-System: Senior-Kameraleute begleiten jeweils drei bis vier jüngere. Bei Problemen oder komplexen Aufgabestellungen können diese ihre Coachs jederzeit anrufen, auch nach Feierabend und am Wochenende. Gibt es Reklamationen, werden sie gemeinsam analysiert. Das ENG-Personal wird neu auch laufend für die Arbeit am neuen Laptop-Schnittplatz AVID Xpress fit gemacht. Zwei Kameramänner beherrschen das supermoderne Arbeitsinstrument bereits. Mit dem mobilen Schnittplatz wurde an der Eishockey-WM in Schweden erstmals real gearbeitet.
Selbstverständlich laufen auch in all den anderen tpc-Abteilungen ständig Weiterbildungsprogramme. So in der Postproduction mit der Umschulung auf neue Produktionsmittel sowie im Bereich Finanzen/ Administration mit der Aus-/Weiterbildung betreffend SAP-System und dem Führen einer KostensteIle. Nebst der fachlichen Bildung hat das tpc zum Beispiel u.a. auch die Führungsentwicklung im Visier. Dieses Jahr werden nicht weniger als zehn Führungstrainings angeboten.

Text: Brigitte Maurer
Fotos: Daniel Ammann