Erste Wahl

Ein elfstündiger Livemarathon mit Kontakt zu 15 Aussenstellen, brandaktuellen Trends und Ergebnissen aus dem Wahlstudio vor Ort, kompetenter Moderation, hochkomplexer Technik und perfekter Ablauforganisation: Die Profis von tpc und SF DRS meisterten den Wahlsonntag souverän!

Minuten vor der so genannten Elefantenrunde: Eingangs Studio 1 bis unmittelbar hinter die Studiokameras drängen sich Politgrössen und Medienleute. Einige Fotografen kauern bereits auf dem Boden vor den Kameras. Zielstrebig steuert CVP-Parteipräsident Philipp Stähelin auf das hell erleuchtete Stehpult in der Studiomitte zu. Da trifft er in der Menge auf SVPNationalrat Toni Bortoluzzi, der ihm spontan zu seinem persönlichen Wahlresultat als Ständerat gratuliert.

Flugs gesellen sich nebst Beni Thurnheer noch weitere Bekannte hinzu. Man tauscht Begrüssungsworte und Beni Thurnheer schlägt vor, eine bessere Bezeichnung für 'Elefantenrunde' zu erfinden. Einer wirft ein, dass die Tiere ja nun – nach dem Virustod eines Jung-Elefanten vor ein paar Tagen im Zürcher Zoo – zur aussterbenden Rasse zählen würden ...

Philipp Stähelin lacht mit, macht gute Miene zum bösen Spiel. Doch zu lachen hat er eigentlich nichts. Im Gegenteil. Nur noch ein paar Minuten, dann wird er den Misserfolg seiner Partei vor laufender Kamera eingestehen müssen... Am «Elefantenpult » wartet nämlich schon «Arena»-Moderator Urs Leuthard. Die Aufnahmeleiterin bittet die Parteispitzen einzeln hin. Die Uhr zeigt kurz vor 19 Uhr. Im Hintergrund ist ein Studiomonitor mit dem SF1-Liveprogramm zu sehen. Über den Sender gehen soeben die neuesten Hochrechnungs-Grafiken.

Als die Crew in der Regie 1 vom Resultate-Desk auf die Elefantenrunde umschaltet, hat sie exakt sechs Stunden höchster Konzentration hinter sich. So lange dauert die Livesendung auf SF1 bereits. Bis Sendeschluss um Mitternacht werden es total elf Livestunden sein.

Im Fernsehstudio präsent sind die Profis von tpc und SF DRS aber noch viel länger. Insgesamt 17 Stunden zählt nach Sendeschluss tpc-Mann Gordian Suter, der die Technik mit all den komplexen Leitungen plante. Zusammen mit Peter Wolff verantwortet er heute über achtzig Aussenschaltungen in alle Regionen der Schweiz. Die beiden agieren im Koordinationsraum, dem Herz der heutigen Livesendung.

Hier schalten und walten auch, nebst diversen anderen, die SF DRS-Produzenten Antonio Antoniazzi und Peter Lippuner. Sie entscheiden, was wann wie gesendet wird. Ab und zu sprechen sie ein Machtwort. Zum Beispiel dann, wenn die Verantwortlichen von SF1, TSR (Télévision Suisse Romande) und TSI (Televisione Svizzera Italiana) zeitgleich mit mehreren Korrespondenten sprechen wollen. Denn freie Leitungen sind heute unglaublich rar. Mehr als einmal ertönt es verzweifelt aus dem Schaltraum: «Was sollen wir bloss tun, wir haben kein einziges freies Kabel mehr!?» So stimmt man sich gegenseitig aufeinander ab. «Freie Leitungen? Heute herrscht ein Geben und Nehmen in extrem engen Zeitabständen», meint Gordian Suter.

Einen Schreckensmoment erleben die Technik-Künstler des tpc um 12.58 Uhr, zwei Minuten vor Sendebeginn – trotz minuziöser Planung im Vorfeld. Überraschend treffen lange Sportbeiträge ein und verstopfen einige Leitungen im Schaltraum. In Windeseile müssen die Verantwortlichen die Verbindungen zu den Schweizer Aussenstellen umrangieren. Über den Schaltraum gehen sämtliche aus- und eingehende Bild- und Tonsignale für die im tpc hergestellten Sendungen. Am Wahlsonntag läuft der Betrieb hier parallel zu den Wahlen normal weiter. Laufend gehen Korrespondentenberichte und Aufzeichnungen aus dem Ausland ein. Sie müssen gekonnt durch die Leitungsengpässe geschleust werden.

Hochspannung herrscht um dieselbe Zeit auch in der Regie 1: «Noch eine Minute, noch dreissig Sekunden ...» Beim Start um 13 Uhr sitzen 15 Mitarbeitende von tpc und SF DRS in der Regie. Ein jeder ist voll auf seinen Job konzentriert, gleichzeitig hat er seine Antennen auf Empfang gestellt. – Bravouröse Einzelleistungen und ein brillantes Teamwork werden die TV-Macher letztendlich sicher über elf äusserst anstrengende Stunden tragen. Und zwar an allen Schlüsselstellen, an denen die Fachleute in Teams zusammenarbeiten.

«Als ich heute Morgen sah, dass alles klappen würde, war ich schon etwas stolz auf unsere Leistung. Unter der ausgezeichneten Planung und Leitung des Projektverantwortlichen Daniel Brunner haben alle grossartig mitgezogen », sagt Peter Schirmer, Leiter Produktion Studio, der sich am frühen Nachmittag beim Catering mit Produktionsmitarbeitern über den bisherigen Verlauf der Sendung bespricht.

Die Anerkennung gebührt dem Studioteam zu Recht, hiess es doch noch vor ein paar Monaten von allen Seiten, dass es praktisch unmöglich sei, eine Woche vor den Wahlen im selben Studio noch die Samstagabendshow «Benissimo» aufzuzeichnen. Doch man schaffte es, unter anderem dank Nachtschichten. Aber nicht nur das: In wenigen Tagen wird hier im Studio 1 der «tpc creaTVty award», der Förderpreis für junge Filmtalente, vergeben. Und tags darauf steigt das gemeinsame Personalfest von tpc und SF DRS, unter anderem im Studio 1. Da bleibt keine Zeit, sich auf den Lorbeeren auszuruhen.

Zurück zum Wahlsonntag, 12 Uhr mittags: In der Maske haben Monika Herzog und Maja Tacket alle Hände voll zu tun. Thomas Schäppi, der von der «Aussenstelle Zürich » berichten wird, löst Franz Fischlin im Schminkstuhl ab. Vor Start der Livesendung sind zuerst die Moderatoren an der Reihe. Später werden sämtliche Politikerinnen und Politiker zumindest so gepudert werden, dass sie im Scheinwerferlicht nicht glänzen.

12.15 Uhr: Eine Dreiviertelstunde vor Sendestart erscheint Reto Brennwald, der sich aber erst einmal die Krawatte binden muss. «Na, gut geschlafen?», fragt ihn Thomas Schäppi. «Ja, kein Problem », erwidert der routinierte Reto Brennwald, der wohl einen seiner anstrengendsten Moderationsjobs vor sich hat. Während die einen gepudert werden und die anderen noch letzte Testläufe durchführen, richten sich die externen Medien ein. In den Gängen hört man da ein «Ja hallo, was machst denn du hier?», dort ein «Salü, lange nicht mehr gesehen». Nebst dem Medienzentrum, das die Printpresse sowie Fotografen aus der ganzen Schweiz beherbergt, wurden spezielle Räumlichkeiten für die Externen bereitgestellt: In den Grossgarderoben findet das Schweizer Radio DRS Unterschlupf, im Warteraum von Studio 2 hat sich TeleZüri mit einem eigenen kleinen Studio installiert. Und im Studio 2 teilen sich die Radios RSR, Top, 24, Zürisee, Rumantsch, RaBe, Bundeshausradio sowie TeleBärn und der ORF die Quadratmeter.

Die Moderationspulte von TSR und TSI sind je auf einer eigenen Plattform im Studio 1 verankert und werden mit den Regien 2 und 3 betrieben. Schräg gegenüber in der Ecke steht die InfoBar für Politprominenz und Publikum. Die andere Hälfte des Studios beanspruchen die Moderationsinseln, je eine für die Anchormen Reto Brennwald und Urs Leuthard, das Resultate- Studio mit Catherine Mettler und Franz Fischlin sowie die «Aussenstelle Zürich» mit Thomas Schäppi.

Der aufmerksam zappende TV-Zuschauer erkennt es an diesem Tag als Erster: Tonund Bildsignete, Studiodekors, ja das ganze TVErscheinungsbild, präsentiert sich erstmals in allen Sprachregionen der Schweiz einheitlich – ganz «idée suisse»!

Als Hintergrund für das Wahlstudio dient das Resultate- und Hochrechnungszentrum, das total siebzig Arbeitsplätze umfasst und mit einer Glaswand vom Studioteil abgetrennt ist. Hier wird fieberhaft gerechnet. Verantwortlich für die tpc- Aufgaben ist Jürg Baumann. Sechs seiner Leute geben die Daten ein, weitere zwei bedienen die Abrufstationen im Livestudio, schalten die verlangten Grafiken auf. Am Bildschirm veranschaulicht werden die Infos mit dem von BBC London entwickelten Grafiksystem, das sich bereits bei den Wahlen 1999 bewährt hat und mit welchem jeweils auch Abstimmungsresultate dargestellt werden.

Ausdrückliche Gratulation gibt’s um Mitternacht von SF DRS-Chefredaktor Ueli Haldimann. «Wir waren besser als vor vier Jahren, haben praktisch keine Pannen erlebt», sagt Jürg Baumann rückblickend. Also eine gewissenhafte Darstellung über die Verschiebung der politischen Kräfte von der Mitte nach rechts sowie nach links.

Am folgenden Montagmorgen ernten alle Beteiligten Lob. Daniel Brunner, Gesamtprojektleiter tpc für die eidgenössischen Wahlen 2003, zeigt sich mit der geleisteten Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr zufrieden. Klar, dass das eine oder andere noch optimiert werden kann. Mit dieser Mammutproduktion hat das tpc wichtige Erfahrungen gesammelt, deren Erkenntnisse in künftige Aufträge einfliessen werden.

Wer von den tpc-Mitarbeitenden wie über den Ausgang der Wahlen denkt, das ist an diesem Sonntag kaum zu eruieren. Zu professionell scheint die Haltung der Leute. Den Job seriös zu erledigen heisst wohl an diesem Tag auch, sich zurückzunehmen. So erlaubt man sich persönlich höchstens unter vier Augen eine politische Meinung.

Da sind die externen Medienleute freier. Im Studio 1- Warteraum, wo sich die Raucher treffen, ist ab und an jemand auszumachen, der beim Studium des internen Infokanals den Kopf schüttelt. Der Infokanal wurde als zusätzliches Programm auf die interne Antennenanlage aufgeschaltet und läuft in allen Warteräumen und Studios über den Monitor. Er zeigt in der linken oberen Hälfte das Livebild, rechts und unten sowie via Ticker detaillierte Infos zu Trends und Ergebnissen in den einzelnen Kantonen.

Der Infokanal ist ein zusätzlicher tpc-Service für Redaktionen und Gäste. Die Software dafür geschrieben hat Rolf Burri, Leiter tpc data. Sie beinhaltet alle Elemente einer Studioregie. Erstmals schaltete tpc data an der diesjährigen WM in St. Moritz einen solchen Infokanal auf.

Gegen 18 Uhr: Audiospezialist Erich Rathgeb von tpc technics hat sich in der Cateringhalle soeben sein Essen geschöpft, als der Piepser geht: Mikrofonbruch im Schaltraum! Der Betrieb ist massiv behindert, das Knowhow des Profis sofort gefragt, der alles stehen und liegen lässt und davoneilt. Nebst allen anderen ist an diesem Sonntag auch die Tonequipe übermässig gefordert. Weil so viele externe Medien mit ihren eigenen HF-Mikrofonen angereist sind, hat Fachmann Ivan Hofer einen speziellen Messplatz für den Frequenzencheck eingerichtet. Gerade bei dieser Anzahl von Fremdgeräten werden die eigenen HF-Frequenzen oft schneller gestört, als man denkt.

Im Laufe des Abends wandeln sich die Prognosen kontinuierlich zu definitiven Wahlresultaten: Schon eine ganze Weile ist klar, dass der frühere «Arena»-Moderator und Chefredaktor von SF DRS, Filippo Leutenegger, für die FDP Zürich in den Nationalrat einziehen wird. Das Hostessen- Team, unter anderen Irene Mathys, Cornelia Faic und Vreni Meierhofer, erwarten ihn ungeduldig. Noch ist er nicht im Fernsehstudio eingetroffen. Wie gerne würden sie ihn heute mit Champagner begrüssen! Die Freude über seine Wahl ist ehrlich gemeint. Überhaupt verbreiten die Empfangsdamen trotz Erkältung und zeitweiliger Hektik eine gute Stimmung: Mit Charme nehmen sie schon seit Mittag pausenlos Politikerinnen, Medienleute und Gäste in Empfang.

Text: Brigitte Maurer
Fotos: Heinz Stucki SF DRS, Markus Bertschi