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Ge-ball-te Prominenz |
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Ein kalter Wind bläst durch die Strassen von Basel. Eine dunkle Limousine bremst abrupt vor der Messehalle 1. Der italienische Star-Schiedsrichter Pierluigi Collina entsteigt dem Wagen, streicht sich mit der rechten Hand über das kahle Haupt und schlägt die Autotür zu. Der Wagen braust davon. Das Autogramm des charismatischen Referees ist an diesem Nachmittag das einzig wirklich Prominente auf den Schreibblöcken der in der Kälte ausharrenden Fussballfans. Zidane und Co. werden über die Tiefgarage ins Gebäude geschleust. Im ersten Stock der Halle 1 läuft zu dieser Zeit bereits die Pressekonferenz. Knapp 200 Journalisten aus der ganzen Welt löchern die drei Nominierten für den Weltfussballer mit ihren Fragen. «Monsieur Henry, Sie sind der einzige der drei Nominierten, der im Anzug zur Pressekonferenz erschienen ist. Haben Sie eine Vorahnung, dass Sie gewinnen?! » Ronaldo kichert, Zidane hüstelt belustigt in seine gefalteten Hände. Fotoapparate klicken. Blitze schiessen durch den grossen Raum. Wenig später ist der Spuk vorbei. Die Stars verlassen die Pressekonferenz durch einen Hinterausgang. Im benachbarten Presseraum starten die ersten Medienschaffenden an den 110 Arbeitsplätzen ihre Laptops. Redaktor Mani Hildebrand kommt derweil ins Schwitzen. Kurz zuvor ist er aus London zurückgekehrt, um dem Management von «Atomic Kitten» gleichen Morgens noch das Showkonzept und die Dekorpläne zu präsentieren. Vergebens. Der Privatjet streikte und die Gruppe wäre erst eine halbe Stunde vor Sendebeginn in Basel angekommen. Zu spät, um noch seriös zu proben. Schweren Herzens musste Hildebrand den Chartstürmerinnen eine Absage erteilen: «Solche Momente sind frustrierend. Da hat man knapp dreiviertel Jahr auf diesen Auftritt hingearbeitet und innert Sekunden muss man seine eigenen Vorbereitungen zunichte machen. Auch wenn das Showbusiness unberechenbar ist, kommen solche Momente zum Glück äusserst selten vor.» Mani Hildebrand ist sich in seiner Funktion den Umgang mit Stars und Sternchen gewohnt: «Das ist Teil meiner Tätigkeit. Doch Begegnungen mit Promis sind auch für mich noch spannend. Aber ich würde niemals vor einem Star in Ehrfurcht erstarren.» Ein Lachen huscht über sein Gesicht. «Ich probiere, allen Künstlern den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen. Sie sollen spüren, dass man sich um sie kümmert.» So sind hinter der Bühne zwei kleine Partyzelte aufgebaut, in denen sich die Künstler auf den Ledersofas verweilen und auf ihren Auftritt vorbereiten können. Neben der Verpflichtung der Showblöcke für die Sendung sowie der Organisation für deren Unterkunft und Transport stand der Redaktor auch den Moderatoren mit Informationen zu den Gästen zur Seite. Innert weniger Tage wurde die riesengrosse Messehalle zu einem Fernsehstudio mit integriertem VIP-Bereich und Parkplatz für den Reportagewagen L1 vom tpc umfunktioniert. Rund 1200 Quadratmeter Stoff trennen das improvisierte Studio von der übrigen Halle, meterweise blauer Teppich geleiten die Gäste zu ihren Sitzplätzen. Acht Sattelschlepper transportierten die Showbühne, Projektionswände, die 566 Zuschauern Platz bietende Tribüne, das Podest für Medienschaffende und Techniker, den Kameraboden, Sichtschutz für den Backstagebereich, die Maskenplätze und die VIP-Zelte nach Basel. «Die Dekorplanung für diesen Anlass nahm alles in allem etwa drei Tage in Anspruch», schätzt Bühnenmeister Patrick Dall’Oglio. An der sechstägigen Vorbereitungs- und Aufbauphase des Dekors waren immer zwischen sieben und zwölf Bühnenhandwerker beteiligt. Der Restaufbau der Hallendekoration beanspruchte nochmals drei Personen während vier Tagen. Regisseur Paul Fischer bespricht mit dem Produktionsteam die letzten Details. Da wird ein Scheinwerfer zurechtgerückt, dort eine Kameraeinstellung geprobt. Zusammen mit einigen Mitarbeitenden – darunter Redaktor Mani Hildebrand und Moderator Matthias Hüppi – bestreitet Paul Fischer in diesen Tagen ein Mammut- Sportprogramm. Kaum 48 Stunden zuvor brachten sie die Verleihung der Schweizer Sport-Awards über die Bühne und auf den Sender – nun produzieren sie gemeinsam die FIFA World Player Gala. Trotz einer gewissen Routine geniesse er die Begegnungen mit so genannten Stars immer wieder von neuem, meint der Regisseur. «Auch wenn man nur bis auf einen Meter an sie herankommt, kribbelt’s bei mir immer noch.» Allerdings sei er nicht besonders nervös, was die Sendung betrifft – selbst wenn die von ihm ausgewählten Bilder in Kürze in Millionen von Wohnstuben zu sehen sein werden. «Man muss jeden Job gut machen – unabhängig von Auftraggeber und Auftragsvolumen. Es ist jedoch ein besonderes Erlebnis für alle involvierten tpc-Mitarbeitenden, eine solche weltweit ausgestrahlte Sendung zu realisieren.» Bei Vanessa Müller, einer von vier Aufnahmeleiterinnen, eilt’s. Sie muss innert kürzester Zeit die Laudatoren und Nominierten auf die Sendung vorbereiten, sie zur Maske und zum Tonoperateur begleiten, wo sie mit Mikrofonen ausgestattet werden. «Bisher kannte ich Zidane, Ronaldo und die anderen Fussballgrössen nur aus dem Fernsehen», sagt Vanessa Müller. «Plötzlich stehen diese Stars gut angezogen mit Anzug und Krawatte da und hören auf meine Anweisungen. Keine Frage, da schlägt einem das Herz viel schneller.» Punkt 15 Uhr geht’s los: Die Moderatoren Matthias Hüppi und Amanda McLane betreten die Bühne. Egal, ob in den Favelas von Brasilien, in den Pubs von Grossbritannien oder in japanischen Wohnstuben; überall wird an diesem späten Nachmittag die von Host-Broadcaster tpc produzierte Gala-Sendung verfolgt. «Die Rechte wurden in 142 Länder verkauft», so Hans Peter Traub, der als Produktionsleiter für die gesamte Planung verantwortlich zeichnete. Die Fans des schottischen Klubs FC Dundee United nehmen den Fairness-Preis entgegen. Birgit Prinz wird als beste Fussballerin ausgezeichnet. Und Zidanes Wahl zum «Weltfussballer des Jahres» beweist, dass der neunmalkluge Journalist an der Pressekonferenz zuvor falsch gelegen hat. Arsenal- Star Thierry Henry wird Zweiter, Ronaldo Dritter. Brasilien gewinnt die Auszeichnung für das «Team des Jahres», Bahrain wird «Aufsteiger des Jahres». DJ BoBo fegt zusammen mit seiner Tanzcrew über die Bühne – Schwerstarbeit für den Kameramann an der Steadycam und die Kabelträgerin. Bei der stimmgewaltigen Darbietung des maltekischen Tenors Joseph Calleja können auch die Kameraleute vom tpc kurz verschnaufen. Knapp die Dauer eines Fussballspiels später ist die Show zu Ende. Aufnahmeleiterin Vanessa Müller ist zufrieden mit der Sendung – abgesehen von einem Wermutstropfen: «Ich wollte mir noch ein Autogramm von Zinédine Zidane besorgen. Doch als ich einen Meter vor ihm stand, verliess mich der Mut …» Produzent Ruedi Oser zeigt sich mit dem Anlass ebenfalls zufrieden: «Dieser Auftrag ist eine tolle Visitenkarte für uns. Die FIFA ist ein sehr kompetenter Partner. Das hat die Zusammenarbeit ungemein erleichtert.» Auch wenn ein Monat vor der Produktion der schwerwiegende Entscheid gefällt wurde, vom Studio 1 – wo die «World Player Gala» zwei Jahre zuvor erstmals vom tpc realisiert wurde – in die Messehalle nach Basel zu dislozieren. «Bei diesem Wechsel konnten wir unsere Flexibilität und Zuverlässigkeit unter Wahrung des Qualitätsstandards unter Beweis stellen», gewinnt Ruedi Oser dieser Massnahme auch eine positive Seite ab. Der Standortwechsel drängte sich auf, weil gleichen Abends im St.-Jakob-Park Basel das Benefizspiel «Match against Poverty» ausgetragen werden sollte. Der Umzug vom Studio 1 in Zürich nach Basel bedeutete für das tpc zwar einen beachtlichen Mehraufwand, doch dank dem grossen Know-how der Mitarbeitenden konnte dieser mit Bravour gemeistert werden. Das tpc wurde für die gesamte Produktion beauftragt, die FIFA als Auftraggeber gab lediglich den gewünschten Sendungsinhalt vor und liess dem Host-Broadcaster in 20 report Gestaltung, Organisation und Umsetzung freie Hand. Eine besondere Herausforderung für die 55 Mitarbeitenden des tpc und die 15 externen Kräfte: So musste zuerst in Basel eine geeignete Halle gefunden, dann innerhalb von nur 30 Tagen die gesamte Planung an die veränderten Raumbedingungen angepasst, die Unterbringung für die siebzig Mitarbeitenden organisiert und schliesslich zusammen mit der Sicherheitsfirma Delta und der FIFA ein Sicherheitsdispositiv entwickelt werden. Zu den Aufgaben des tpc gehörte auch die Einrichtung der technischen Installationen für die Pressekonferenz und die Arbeitsplätze für die Journalisten unter der Federführung von Gilles Cantor, Projektleiter Studio. Während sich das Studio allmählich leert und die ausgezeichneten Fussballer in der Media Lounge im Akkord Interviews geben, beginnt für die Mitarbeitenden des tpc bereits das Aufräumen. Kabel werden aufgerollt, die Kameras abgebaut und das Dekor in transportfähige Einzelteile zerlegt. «Fussball ist der telegenste Sport», meint ein strahlender FIFA-Präsident Joseph S. Blatter beim Apéro nach der «gelungenen Sendung». «Ein Spiel ist mit einer Dauer von normalerweise neunzig Minuten für die Programmverantwortlichen berechenbar. Das Fussballfeld ist auch begrenzt – ganz im Gegensatz beispielsweise zu einem Skirennen, wo es schwieriger und aufwändiger ist, das gesamte Aktionsfeld mit den Kameras einzufangen.» Laut Joseph S. Blatter ergänzen sich die FIFA und das Fernsehen gegenseitig: «Wir liefern das Produkt namens ‹Fussball› und das Fernsehen macht unser Spektakel einem noch breiteren Publikum zugänglich.» Der oberste Weltfussballer wagt auch einen Ausblick: «2004 stehen die Feierlichkeiten zum 100-Jahre-Jubiläum der FIFA an. Wir möchten diesen Anlass gerne im Opernhaus Zürich durchführen. Events dieser Art tun der Schweiz gut.» Ob das tpc dann auch wieder als Host- Broadcaster auftreten darf, ist ungewiss. Doch eines ist für Joseph S. Blatter an diesem Abend klar: «Das tpc mit seinen Mitarbeitenden hat sehr gute Arbeit geleistet.» In der Fussballsprache gesprochen: Das tpc ist zuverlässig wie ein Torhüter, pflichtbewusst wie ein Abwehrspieler, kreativ wie ein Mittelfeldstratege und abschlussstark wie ein Topscorer. Vor der Messehalle wartet eine in dicke Winterkleidung gehüllte Schar Kinder auf die internationale Fussballprominenz. Vergeblich. Die Signaturen einiger Basler Spieler sind die einzigen Autogramme auf den Notizblöcken, die sie in ihren klammen Fingern halten. Als die Fotografin den wartenden Kindern ihre Akkreditierung mit der Unterschrift von Ronaldo zeigt, staunen diese mit offenen Mündern: «Wow!» Die Augen der jungen Autogrammjäger leuchten. Wie die Sterne am Basler Abendhimmel. Text: Peter Küchler Fotos: Yoki van DeCream | |||||||||||||