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Die Action hinter der Show |
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Hochbetrieb in der Kantine von SF DRS – nachts um elf! Bunt durchmischt sitzen Promis und nicht minder bekannte Fernsehleute, tpc- Mitarbeitende und die Crew von B&B; Endemol. Die Akteure von «Lüthi und Blanc» sind fast vollzählig auszumachen. Zur Freude einzelner «VIParade»-Zuschauer, die unauffällig zum einen oder andern Tisch schielen. Überall wird diskutiert, gestikuliert und gelacht. In den meisten Gesichtern ist Erleichterung zu lesen. Einige wirken etwas nachdenklich. Gemeinsam ist in diesem Moment aber allen: sie haben soeben die allererste Ausgabe der neuen Sendung «VIParade» live miterlebt – ob vor oder hinter der Kamera, ob vor, auf oder hinter der Showbühne. Am nächsten Morgen betiteln die Sonntagsblätter die Show als brav, nett und matt. Backstage hingegen ging am Samstagabend die Post ab: Da waren einmal die überraschenden Schreckensminuten mit Kamera 5. Oder das ausgeklügelte Votingsystem, das trotz doppelter Absicherung ausgerechnet live zwei-, dreimal versagte. Nicht zu vergessen: die rutschige Hauptbühne, welche sich ganz und gar nicht mit der neusten Damen- Schuhmode zu vertragen scheint. Oder die raffinierten Lichteffekte, die eine meisterhafte Bedienung voraussetzen. Doch alles der Reihe nach ... Draussen vor dem tpc- Empfang schäkern mitten am Samstagnachmittag ein paar Teenies. Die Boys und Girls warten gut gelaunt auf ihre Idole. Alter und Outfit lassen auf die Berner Popband «Plüsch» schliessen. Nicht, dass Italo-Schmusesänger Nek und Dick Brave, alias Sasha aus Deutschland, keine Schweizer Fans hätten. Doch deren Publikum wird sich an diesem Abend wohl eher vor dem TV versammeln. Die drei bekannten Namen aus dem Musikbusiness sollen die erste «VIParade» mit musikalischen VIPlights auflockern. Drinnen im Studio 1 laufen bereits die heissen Proben: Von halb zwei bis fünf Uhr erfolgen die Stellproben mit den Bands, anschliessend das Briefing der VIPs. Derweil wird am Dekor ein letztes Mal Hand angelegt. Ebenso an der technischen Installation. Studiobeleuchter Korhan Özdemir kontrolliert gerade, ob die Effektlichter auch wirklich am richtigen Ort platziert sind. Denn bei einer neuen Produktion gilt es, noch wachsamer als sonst schon zu sein. Keine und keiner kann sich heute Abend auf Routine abstützen, höchstens an bisherigen Erfahrungen mit anderen Shows anlehnen. Nichtsdestotrotz breitet sich drei Stunden vor Sendebeginn im Studio keine Hektik aus. Im Gegenteil: die Beteiligten wirken ruhig und konzentriert. Claudia Capecchi, Produktionsleiterin bei B&B; Endemol, welche «VIParade » im Auftrag von SF DRS produziert: «Wir sind alle gut vorbereitet – und wir wissen aus Erfahrung, dass jeder Job mit einem tpc-Profi besetzt ist. Das beruhigt.» In der Tat: Das tpc liegt gut in der Zeit, «allerdings mit vielen Überstunden während der letzten Tage», wie Michael Hunziker, Technischer Leiter tpc, meint. Betroffen sind alle involvierten Abteilungen wie Bild, Ton, Beleuchtung, Bau, Bühne und Requisiten. Dies, weil sich einerseits seit der Pilotsendung letzten Herbst viel veränderte. Andererseits, weil kurzfristig Probleme auftauchten. So fing tpc data erst gestern Abend während der Generalprobe eine wahre Knacknuss ein, die es bis heute Mittag zu lösen galt: Die Funkfrequenzen blockierten sich gegenseitig. Ja, es gab gar einen richtigen Funksalat. Ausgelöst durch all die drahtlosen Mikrofone, die Steadycam, die Pyrotechnik, die Handys und die Funkpanels für die Kandidateneingaben und das Publikumsvoting. Letzteres wird mittels zweihundert «Ja-Nein»-Kästli ermittelt. Die Folge: Genau jene Kandidaten- Panels reagierten nicht, welche auch heute Abend für eine kurze Panne sorgen werden. Das weiss Marcel Müller von tpc data um 17 Uhr noch nicht. Zu diesem Zeitpunkt ist er zwar skeptisch, aber der Optimismus überwiegt: «Wir haben die Funkfrequenz der Panels geändert und mehrmals alles im Zusammenspiel überprüft. Seither verzeichnen wir keine Probleme mehr. Ich hoffe, es bleibt so.» Marcel Müller hat sich im tpc einen Namen als Quizprogrammierer gemacht. So verantwortet er programmiertechnisch die Spielsysteme von «Quiz today» und «Eiger, Mönch & Kunz». Der Bildtechniker hat auch das komplexe Spielsystem der «VIParade» programmiert, Kollege Patrick Bauer die Kandidaten-Panels entwickelt. Alles Prototypen. An diesem Abend sitzt Marcel Müller in der Regie und bedient den PC mit dem Hauptsystem. Auf seinem Bildschirm erscheint eins zu eins, was die VIP-Teams eintippen. Desgleichen, was das Publikum antwortet. Auch der Infomonitor für Moderator Sven Epiney wird von hier aus gespiesen, denn Sven soll die Resultate als Erster sehen. Um einen GAU wirklich auszuschliessen, hat Marcel Müller erstmals auch ein Sicherheitssystem auf einem zweiten PC installiert. Man weiss ja nie. Trotz all dieser Massnahmen steigt während der Sendung das eine oder andere Kandidaten-Panel aus. Ärgerlich! Die Ursache: eine gestörte Funkfrequenz. Für die nächste «VIParade » wird tpc data höchstwahrscheinlich die Kandidaten- Panels wieder verkabeln. Anders ist dem Funkproblem derzeit nicht beizukommen. Mit ganz anderen Problemen sah sich Tontechniker Jürg Furler konfrontiert: Weil VIP-Kandidat Sepp Blatter in letzter Minute absagte, musste er kurzfristig den Jingle neu einspielen sowie das Kurzporträt von Ersatzspieler Murat Yakin vertonen. Schon vorgängig standen tontechnisch massive Änderungen gegenüber der Pilotsendung an: Signet, Jingles und Backgroundmusik waren zu ersetzen. Heute Abend wird Jürg Furler alleine in der Tonregie hantieren. Verspätet treffen die VIPs ein. Sie werden sogleich weiter ins Studio, zur so genannt kalten Probe, geschleust. Hannes Bichsel, Geschäftsführer von B&B; Endemol, gibt den Kandidaten Tipps: «Die Finalisten sollten auf der Hauptbühne näher zusammenrücken ...». Parallel dazu orientiert Alexa Brogli die «Lüthi und Blanc»- Leute über ihren Auftritt. «In der Schweiz lassen sich genügend VIPs finden», sagt die B&B-Endemol-Redaktorin;, auf das Konzept angesprochen, «bloss stellen wir unser Licht hier viel zu oft unter den Scheffel. Bei uns leben auch Menschen, die wirklich etwas geleistet haben. Zudem tauchen immer wieder neue auf, die Aussergewöhnliches vorzuweisen haben.» Sportler treten an Sportevents auf, Politikerinnen in Politshows, Wirtschaftskapitäne an Wirtschaftssymposien: Prominente sieht man in der Schweiz selten woanders als in ihrem angestammten Bereich. Diese Grundüberlegung hat B&B; Endemol inspiriert, eine Schweizer Promi-Show auf die Beine zu stellen, in der man VIPs auch privat kennen lernt – und in der unter anderem ihre Teamfähigkeit getestet wird. Creative Director Andi Frick und sein Bruder Stefan starteten im Januar 2002 mit der Programmentwicklung. In weniger als einer Stunde wird für die beiden ein Traum in Erfüllung gehen: «Einmal eine Samstagabend-Sendung zu machen, und das erst noch mit einem tollen Team.» Noch dreissig Minuten bis zur Sendung. Die Zuschauertribüne erzittert unter lautem Getrampel: Soeben ist das 210-köpfige Publikum eingelassen worden. In der Maske haben sich derweil die letzten VIPs in den Schminkstuhl gesetzt. Sven Epiney und Assistentin Najet El Kamel waren die Ersten, die sich hier kosmetisch verschönern liessen. Gefolgt von Bettina Dieterle, die mit Lockenwicklern erschien, und der schon fast perfekt geschminkten Maja Brunner. Unmittelbar neben der Maske hält sich Doris Marti bereit. Die Theaterschneiderin ist das «gute Geistli im Hintergrund», stellt ihre Dienste den Auftretenden zur Verfügung. So bügelt und entfuselt sie Hemden – heute vor allem für Nek & Co. –, schliesst Reissverschlüsse von Abendroben, rückt bei Bedarf Krawatten zurecht. Und reisst eine Hose oder Bluse, eilt sie in den grossen tpc-Kostümfundus, um ein passendes Ersatzstück zu holen. Im Studio-1-Warteraum verewigen sich die VIPs im Gästebuch. Es herrscht ein Kommen und Gehen. Die Aufnahmeleiter trommeln die Promis zusammen, zwei Tontechniker verkabeln sie mit drahtlosen Miks, der eigens für diesen Anlass engagierte Bodyguard holt sich ein letztes Glas Wasser. SVP-Nationalrat Toni Brunner, heute VIP-Kandidat im Team mit Namensvetterin Maja Brunner, freut sich auf die Sendung: «Ich bin neugierig, der Auftritt hier ist mal etwas anderes. Und für Neues bin ich immer zu haben.» Adrenalinschub in der Regie, vier Minuten vor Sendebeginn! Urplötzlich verschwindet das Bild der drahtlosen Kamera 5 vom Monitor. Gaby Schilter, Leiterin Script, und Regisseur Paul Fischer müssen in Windeseile umdisponieren. Denn die Steadycam hätte heute die ersten Sekunden zeigen sollen. So springt Kamera 8 ein. Exakt drei Sekunden vor Start ist das Bild von Kamera 5 wieder da. Zum Glück! Denn die Funkkamera übernimmt heute eine wichtige Funktion. Insgesamt acht Kameras liefern während der nächsten zwei Stunden Bilder – mehr als jeweils bei «Benissimo ». Erstmals in einer Sendung im Einsatz ist auch der neue, tpc-eigene Kamerakran. Zwei Mann bedienen ihn: einer steuert die Kamera via Joystick, ein Zweiter richtet den Schwenkarm aus. Mia Aegerter kniet auf dem knallroten Kandidaten- Sofa, welches bis vor kurzem noch silbern oder orange gewesen wäre. «Damals gingen wir von einer kühlen ‹Las-Vegas-Eleganz› aus», erklärt Bühnenbildner Rico Chiari. Anfangs sah das Konzept ein viel quizbetonteres Design vor: Cockpits mit Barhockern, nicht zu kuschelig, nicht zu bequem. Der Inhalt wandelte sich, das Set wurde «loungiger». Anfangs Jahr kam die Kehrtwende: Organische Formen der 60erund 70er-Jahre wurden aufgegriffen. Mut zur Farbe hiess das neue Motto, «frisch wie ein Fruchtsalat», wie Rico Chiari die Farbwelt bezeichnet. Dass Najet El Kamel ein hellblaues Kleid trägt, ist kein Zufall: Beim Gesamtdesign liess man sich auch vom Film «Catch me if you can» mit Leonardo Di Caprio leiten. Die weiss-hellblauen PanAm-Kostüme verbreiten da einen kühlen Charme. Als knifflige Aufgabe für das Bühnenbild erwies sich die um 180 Grad drehbare Kandidaten-Bühne. Enorm viele Kabel waren unterzubringen, was schliesslich unterirdisch gelöst wurde. Die Moving Lights, zu deutsch Effektlichter, machen das Bühnenbild erst zu dem, was es ist. Bedient werden sie von den Profis der Lichtregie. Für den neckischen Spezialeffekt während des Auftritts von Elvis- Imitator Dick Brave ist die Bildtechnik verantwortlich: Über den Sender geht ein nostalgisch schwarz-weisses Bild mit blauem Scheinwerferlicht. Ein gelungener Akt. 818’000 Menschen verfolgen am Samstagabend die erste «VIParade» auf SF 1. Eine stolze Quote, zumal zeitgleich Thomas Gottschalk die neue ZDF-Benimm- Show moderiert, Frank Elstner mit «Verstehen Sie Spass?» auf ARD läuft und Günther Jauch eine RTLMillion verquizt. Und, nicht unwesentlich, SF 2 parallel das 2. Finalspiel der Schweizer Eishockey-Playoffs bringt. Text: Brigitte Maurer Fotos: Niklaus Spoerri, Oscar Alessio SF DRS | |||||||||||||